OnlineFestival.itfs.de https://onlinefestival.itfs.de Tue, 26 May 2020 08:44:52 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.8.3 Oper und Animation – eine Liebeserklärung https://onlinefestival.itfs.de/oper-und-animation/ Sun, 10 May 2020 07:00:26 +0000 http://onlinefestival-itfs.flywheelsites.com/?p=2441

Oper & Animation – Eine Liebeserklärung

Oper und Animation – eine royale Hochzeit der Bastarde, Schnittstelle von hoher Stilisierung und emotionaler Wahrhaftigkeit. Beide Kunstformen werfen einen vieläugigen Blick auf die innere Wirklichkeit, bedienen sich lustvoll bei den verschiedenen Kunstgattungen, schichten aus Raum, Form, Klang, Bewegung und Zeit eine Multiperspektive, die das Wesen des Unaussprechlichen freilegt.

Kim Thompson spitzt in ihrer Monty-Python-haften Verknappung „All the Great Operas (in 10 Minutes)“ lakonisch-statistisch zu: 11 Opernhandlungen erzählt in 10 Minuten sind Ehebruch, Inzest, Selbstmord – alles in allem 38 Tote. Sie offenbart durch gekonnte Auslassung, was Oper und Animation in ihrem Wesen ausmacht: die ausschweifende, aufwühlende Ausschmückung, wenn die Handlung pausiert, wenn die Erzählkette von Ursache zu Wirkung einen Bogen schlägt und einen zeitlichen Umweg geht. Schlichtweg es bedarf der Arie.

Der künstlichen Animationsfigur fehlt zwar von Natur aus eine eigene Singstimme, dennoch sind Oper und Animation gleichermaßen arienhaft. In dem Ausstieg aus der Echtzeit der Handlung werden Gesetze der objektiven Wirklichkeit überworfen. Es existiert weder ein Naturgesetz für Emotion noch für das Arrangement von Musiknoten oder die Abfolge von Filmkader. Alles offen für Metamorphose und Manipulation. So vermittelt sich der Sprachinhalt durch Sprachverformung, durch lautliche und körperliche Gebärden und Entgrenzungen. In Martin Arnolds „Alone: Life Wastes Andy Hardy“ dehnt sich einzelbildweise Judy Garlands Gesangssprache hin zu einer Ursprache des Gefühls und des Unterbewusstseins, begleitet von körperlichem Stottern und Schlingern. Piotr Sapegin führt in „Aria“ diese Körpersprache bis zur physischen Selbstauflösung seiner Puppenfigur Madame Butterfly weiter. Seine tragische Heldin reißt sich hochdramatisch durch Stoff, Watte, Draht bis auf ihr Figurenskelett auf. Zu sehen ist die Seele nicht als Ding, sondern im Vollzug der Geste zu Giacomo Puccinis Musik. Manipulation der Zeit und der Körperlichkeit – zwei Königsdisziplinen. In der Oper. In der Animation.

Die Animation ist es gewohnt, Welten komplett aus dem Nichts zu erschaffen, gezeichnet, digital oder als Miniaturset. So erweitert sie auch die Opernbühne im Animationsfilm und im Opernsaal. Der so entstandene Raum kann sich sekundenschnell wandeln. Er wirkt auf Figuren ein, reagiert auf diese, wird zum Außen ihres Inneren oder wird selbst zum Akteur. Zuweilen frisst sich die soziale und politische Wirklichkeit durch den Kokon der Künstlichkeit und nutzt ihn so zur Artikulation unaussprechlicher Brutalität, wie z.B. bei Lewis Klahr. Zu Erich Wolfgangs Korngolds „Mariettas Lied“ kontrastiert er mit reduzierter Animation fotografische Hintergründe und Flachfiguren zu einem erschütternden Stück über die Flucht jüdischer Komponisten vor dem Holocaust.

Die heutigen technischen Möglichkeiten des Video-Mapping erlauben hingegen ein punktgenaues Zusammenspiel auf der realen Opernbühne. Das menschliche Ensemble interagiert mit künstlichen Figuren, die Bühne wird virtuell überzeichnet zur Projektionsfläche für bewegte graphische Visualisierungen von Klang und Emotion. Die Animation schlüpft hier fließend in die Rollen von Effekt, Architektur, Design, Kostüm und Figur. Suzanne Andrade und Paul Barritt aka 1927 übertragen bspw. kreativ den künstlerischen Eklektizismus der Zwanziger Jahre auf „Die Zauberflöte“.

Keiichiro Shibuyas „The End – The Vocaloid Opera” formuliert vom Titel und seiner Entstehung her schon fast einen prophetischen Anspruch: Nach fast genau 400 Jahren Operngeschichte und dem zementierten Einverständnis zwischen Bühne und Publikum, die Künstlichkeit als Schlüssel zu einer anderen Wirklichkeit zu nutzen, entledigt sich diese vollständig computergenerierte Oper von 2012 durch Animation scheinbar alles Menschlichen. Die Hauptfigur, die ‚Vocaloide‘ Miku Hatsune, ist nur ein digitaler Code. Weder berührbar wie eine Puppenfigur oder Zeichnung noch Stellvertreterkörper einer tatsächlich existierenden menschlichen Stimme. Emotion in Reinform und ohne Erdanziehung – die totale Verschmelzung von Oper und Animation. Am Ende aber menschengemacht.

Seit 2016 schlagen das ITFS und die Oper Stuttgart gemeinsam Brücken zwischen Oper und Animation. Diese erfolgreiche Kooperation kommt nicht von ungefähr, denn Animation nimmt einen wachsenden Stellenwert für das Opernhaus ein.

2015 kreierte Anna Matysik einen Kurzfilm zur Internationalität des Stuttgarter Opernensembles mit dem Titel „Das fliegende Opernhaus“. Sie verwendete hierfür das Terzett „Soave sia il vento“ aus Mozarts Oper „Cosi fan tutte“. 2017 wirkte die Oper Stuttgart an der Produktion des Kurzfilms „Die Arie der Fruchtfliege“ mit. Inspiration zog das Filmteam aus einer Choreografie in der Oper „Orpheus in der Unterwelt“. Daniel Kluge lieh der Fruchtfliege seinen temporalen Schmelz. Für die Premiere der Neuproduktion zu „Don Pasquale“ am 25.3.2018 schuf die Oper Stuttgart mit dem Ludwigsburger Studio Seufz einen sechsminütigen Animationsfilm, der zur Ouvertüre das bisherige Leben der Hauptfigur zeigt und Teil der Aufführung ist. Die Kostümbildnerin Teresa Vergho arbeitete bei diesem Projekt eng mit dem Studio Seufz zusammen, wobei die Animation ästhetisch Kunstströmungen der 1970er Jahre zitiert. Die weitere Zusammenarbeit fand ebenfalls mit Ludwigsburger Studierenden und Absolventen statt.

Gemeinsame Workshops – 2017 mit dem britischen Animations- und Bühnenkünstler Paul Barritt, 2018 mit einem weiteren Animationskünstler – sowie die Live-Übertragung der Oper „Rigoletto“ auf dem Schlossplatz als Extra zu einem kuratierten Festivalschwerpunkt beim ITFS sind beste Beispiele für den fruchtbaren Umgang miteinander, um Publikum wie auch Künstler für die Verbindung zweier Kunstformen zu gewinnen. Die Partnerschaft zwischen der Oper Stuttgart und dem ITFS mit dem Themenschwerpunkt Oper & Animation schickt sich damit auch weiterhin an, eine wahre Liebesgeschichte zu sein.

Autoren

André Eckardt (freier Kurator ITFS) & Thomas Koch (Direktor Kommunikation Staatstheater Stuttgart)

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Edutain Me – Für eine digitale Bildung der Zukunft https://onlinefestival.itfs.de/edutain-me-fuer-eine-digitale-bildung-der-zukunft/ Sat, 09 May 2020 18:00:34 +0000 https://onlinefestival.itfs.de/?p=8786

Edutain Me – Für eine digitale Bildung der Zukunft

Seit 2015 veranstaltet das Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart gemeinsam mit der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) die Veranstaltung Edutain Me. Jedes Jahr präsentieren im Rahmen dieser Veranstaltung verschiedene Gäste den Einsatz von Games im Unterricht, im Bildungsbereich oder in der Ausbildung. Anschließend diskutiert eine Gruppe aus Entwicklern, Publishern, Vertretern aus dem Hochschul- und Ausbildungsbereich sowie der Politik wie Games zielführend im Schulunterricht eingesetzt werden können, auf welche Kriterien dabei geachtet werden sollte und wie eine Einführung digitaler Medien für die Gestaltung des Unterrichts sinnvoll ist. In den vergangenen Jahren waren bereits Dr. Susanne Eisenmann (Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg) oder Volker Schebesta (Staatssekretär im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg) zu Gast. Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Notwendigkeit von digitalen und interaktiven Lernangeboten noch deutlicher geworden. Im Bereich des digitalen und interaktiven Lernens besteht im Vergleich zu vielen anderen Ländern großer Nachholbedarf. Dies betrifft nicht nur die Infrastruktur der Schulen – Glasfaserverbindungen, Netzwerke, Hardware -, sondern insbesondere in Bezug auf die digitalen Lerninhalte.

Aufgrund der Absage des Internationalen Trickfilm-Festivals Stuttgart als Präsenzveranstaltung nutzen wir nun die Chance durch digitale Tools und Netzwerke neue Formen des Festivals und der Kommunikation zu erproben. Wir führen daher die geplante Diskussion „Edutain Me 6.0 – Das digitale Klassenzimmer für die Zukunft“ über ein professionelles Videoconferencing-System online durch und zeichnen es zeitgleich auf. Die Vorträge und die Paneldiskussion wurden am Donnerstag, den 7. Mai ab 15 Uhr über www.OnlineFestival.ITFS.de gestreamt.

Im Anschluss wird die Paneldiskussion als Video on Demand (VOD) auf unserer Homepage (https://onlinefestival.itfs.de/gamezone/edu/) im kostenlosen Bereich abrufbar sein.

Bei der diesjährigen Veranstaltung wird auch die Frage diskutiert werden, inwieweit Schule digital sein soll und kann, insbesondere wo die Vorteile und Grenzen der Bildungsdigitalisierung liegen. Reicht der „DigitalPakt Schule“ aus, um eine ausreichende digitale Infrastruktur an Schulen zu gewährleisten? Der Paneldiskussion ist eine Videobotschaft von Frau Ministerin Dr. Susanne Eisenmann, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, vorangestellt.

Es diskutieren: Leandro Cerqueira Karst (Vorsitzender des Landesschülerrats), Gren Babinecz (Kolping Bildungswerk), Ralph Stock (Promotion Software), Daniel BIalecki (Scoyo), Reinhard Koslitz (Didacta Verband e.V. – Verband der Bildungswirtschaft)
Moderation: Nadia Zaboura (Kommunikations- und Politikberaterin mit dem Schwerpunkt digitale Wirtschaft und Gesellschaft)

Gerade in der jetzigen Corona-geprägten Zeit bietet die Veranstaltung Edutain Me eine sehr wichtige Hilfestellung, wie Lernen und Bildung auf digitale und interaktive Weise funktionieren kann. Das Panel und die Angebote können eine wertvolle Handreichung für Bildungseinrichtungen, Eltern und Schüler*innen darstellen, wie games- und webbasiertes digitales Lernen in der (nahen) Zukunft aussehen wird.

Besuchen Sie die GameZone Edu Seite (https://onlinefestival.itfs.de/gamezone/edu/). Hier finden Sie während der gesamten Onlinefestival-Woche ebenfalls als VOD-Programm, einige gute Beispiele des digitalen Lernens und spannende Lernspiele. Dazu zählen z.B. eine Präsentation von der Landeszentrale für politische Bildung und Dusyma (Hersteller von Spiel-, Lern- und Kreativmaterial). Im Weiteren wird es eine Keynote vom Geschäftsführer des Gamesstudios Tinybop, Raul Gutierrez, aus Brooklyn geben, das hauptsächlich interaktive, grafisch aufwändig gestaltete Lernspiele entwickelt. Zusätzlich gibt es zwei Präsentationen im Rahmen von „Games im Unterricht – ein Projekt der LFK (Landesanstalt für Kommunikation)“. Anja Marquardt (PH Ludwigsburg) zeigt ein Projekt zum Einsatz von Super-Mario Run und Pac-Man im Sportunterricht und Prof. Dr. Stefanie Nickel (PH Schwäbisch Gmünd) präsentiert ihr Seminar zum Einsatz von Sims und Minecraft im Grundschulunterricht.

Bild: Die webbasierte Schulplattform Tinybop Schools steht allen Kindern während der gesamten Dauer der Quarantäne kostenlos zur Verfügung,

Autorin

Anna Vohl

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Filmfestivals in der Corona-Krise https://onlinefestival.itfs.de/filmfestivals-in-der-corona-krise/ Sat, 09 May 2020 09:09:05 +0000 https://onlinefestival.itfs.de/?p=8592

Filmfestivals in der Corona-Krise

Seit März steht die Welt Kopf. Großveranstaltungen mussten abgesagt werden. Kinos und Restaurants mussten schließen. Das öffentliche Leben steht still. Die Kunst- und Kreativbranche trifft es hart, und die Folgen der Corona-Pandemie sind noch nicht zu beziffern oder verlässliche Aussagen über den Ausgang und die Konsequenzen zu treffen. Die Filmbranche, speziell die Filmfestivals sind stark betroffen. Wir leben vom öffentlichen Miteinander, von den physischen Treffen im dunklen, geheimnisvollen Raum, wo man gebannt den Geschehnissen auf der Leinwand zuschaut und anschließend in den öffentlichen Diskurs über Filmkunst tritt.

Unsere Aufgabe als Filmfestival ist die Sichtbarmachung von Filmkunst, die bedingungslose Talentförderung, das Finden des größtmöglichen und passenden Publikums. Wir möchten eine Öffentlichkeit für die Filmschaffenden generieren und dazu einladen, in eine neue uns unbekannte Welt einzutauchen. Filmfestivals fördern den öffentlichen Diskurs und tragen wesentlich zu einer lebenswerten Gemeinschaft bei.

Wie aber kann ein Filmfestival seine Aufgabe aufrechterhalten, wenn Großveranstaltungen untersagt und Kinos seit Wochen geschlossen sind?

Im Moment bleibt einem Filmfestival kaum etwas anderes übrig, als ihre Aufgaben online wahrzunehmen und sich Gehör und Aufmerksamkeit in der digitalen Welt zu verschaffen. In kürzester Zeit muss eine gesamte Alternativstruktur geplant und hochgezogen werden, die den Ansprüchen und Wünschen der Geldgeber ebenso wie denen des Publikums gerecht werden muss. Dazu kommt die Perspektive der Filmschaffenden: Wie wirkt sich die Form der Online-Präsentationen aus, wie ist es keine Zuschauer mehr zu treffen, keinen Austausch mit ihnen und der Branche zu haben, kaum Aussicht auf Vertriebsfirmen und weitere Multiplikatoren, dazu die mindere Qualität des Streamings, die Reduktion auf den kleinen Bildschirm?

Filmemacher·innen erschaffen ihre Filmkunst unter solch einem großen Druck und unter teils widrigen Bedingungen – ist es dann wirklich angemessen, die Filme in minderer Qualität zum Teil erstmalig zu zeigen und „nur“ im digitalen Raum vorzuführen?

Nach meinem Dafürhalten ist es nicht möglich, den öffentlichen Raum komplett online in eine digitale Welt zu übertragen. Die Festivalerfahrungen der Filmschaffenden und der Zuschauer·innen leben davon, sich kennen zu lernen, sich gegenseitig wahrzunehmen, miteinander ins Gespräch zu kommen, zu diskutieren, Visionen und Ideen zu teilen, Impulse zu bekommen und durch andere inspiriert zu werden.

Alternative Festivalvarianten können eine Überbrückung sein, ein Impuls zu zeigen, was eigentlich möglich wäre und eine begrenzte Öffentlichkeit für sich selbst und die Filmkunst zu erreichen. Ersetzen werden sie die Festivalwelt im öffentlichen Raum aber nicht. Die neuen Eindrücke, das Eintauchen in mir fremde Welten. Reden über Film und über Aspekte des Gesehenen kann online nicht ersetzt werden durch Chatrooms, Hashtags oder Postings auf Social-Media-Kanälen. Zu vieles fehlt mir: das Raunen der Gäste im Saal, das Jubeln und Klatschen beim Abspann, das Miteinander-Erleben, das durch die Reihe schlängeln, das Schnarchen aus einem benachbarten Kinosessel. Ein erfrischendes Getränk mit mir noch fremden Gästen im Festivalclub. Der immer wiederkehrende Ein- und Auslass an den vielen Sälen. Das Mitfiebern während der Preisverleihung. Ich vermisse die vielfältigen Gespräche und hitzigen Diskussionen. Die zufälligen Begegnungen am Frühstücksbuffet des Hotels oder beim Kaffee-Stand. Der Heimweg – manchmal noch in Gedanken verloren, manchmal müde oder traurig, manchmal aufgedreht und inspiriert.

Das Festivalfeeling ist nicht austauschbar, und ich sehne mich bereits nach einem Ende der Pandemie und der Möglichkeit, gemeinsam die Filmkunst zu fördern und zu erleben. Denn Kino und Filmkunst sind systemrelevant und müssen für alle Altersgruppen möglichst barrierearm und niederschwellig erfahrbar sein. Kuratierte Filmprogramme mit Gästen zum Austausch vor Ort werden wichtiger denn je, denn in Zeiten des Abstandhaltens und der Distanz zueinander wird unser Wunsch nach Gemeinschaft und gemeinsamer Erfahrung immer größer werden. Wir sollten von der jetzigen Zeit lernen und betrachten, welche Alternativen den öffentlichen Diskurs bereichern und gleichzeitig aber nicht müde werden zu betonen, dass dies keine Chance und Möglichkeit ist, Filmfestivals in die digitale Welt zu verlagern, sondern das wir uns in einer Ausnahmesituation befinden, in der jeder zur Improvisation angehalten ist und Alternativen geschaffen werden müssen um nicht gänzlich auf die Erlebnisse und Erfahrungen verzichten zu müssen. Sehen wir es als Möglichkeit der Aufrechterhaltung nicht aber als Ersatz oder Weiterentwicklung.

Autorin

Svenja Böttger
Geschäftsführung & Festivalleitung Filmfestival Max Ophüls Preis

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Isolation, Unsicherheit und die heilenden Hände der Animation https://onlinefestival.itfs.de/isolation-unsicherheit/ Fri, 08 May 2020 16:19:14 +0000 https://onlinefestival.itfs.de/?p=5334

Isolation, Unsicherheit und die heilenden Hände der Animation

Animation ist eine oft einsame Kunst: häufig ausgeübt von Solo-Künstler*innen, vielleicht mit Bleistift und Papier, oder auch von zwei puppenspielenden Händen in der Isolation einer Stop-Motion-Trickbühne. Ich staune oft über Lotte Reinigers Einzelleistung, wie sie schon vor über hundert Jahren Silhouetten unglaubliches Leben verlieh. Allein.
Wie wir durch diese befremdliche Zeit treiben, durch die Tage von COVID-19 in einer angeschlagenen Welt, sind wir überfordert. Inmitten der Krise werden wir Zeuge, wie Familien und Freunde wegen Zwangsurlaub und Entlassungen am Boden zerstört sind. Wir haben gesehen, wie die Weltwirtschaft innerhalb weniger Wochen geschrumpft ist, wie kleine Unternehmen kaputtgingen und Träume zerstört wurden. Wir schauen zu, wie die Medien ein apokalyptisches Bild unseres künftigen Alltags malen; und viele von uns werden von den verwirrenden Botschaften einer gespaltenen Regierung bei offiziellen Pressekonferenzen nicht optimistisch gestimmt. Wie wir jetzt dastehen, betrübt und wütend, überall auf der Welt, müssen wir feststellen, dass uns eine anscheinend unvorhergesehene Pandemie ins Taumeln gebracht hat.

Allein. Konfus. Isoliert. Ich wende mich der Welt der Animation zu, ihrer Voraussicht und Intuition. Eine notwendige Therapie. Ich bin traurig, dass wir gerade nicht zusammenkommen können, bei Veranstaltungen, die wir brauchen, wie das ITFS, das Internationalen Trickfilm-Festival Stuttgart. Es wäre der ideale Zeitpunkt gewesen, um sich zu treffen und über unsere Gefühle zu sprechen, und die unerschrockene Kreativität in unserer Branche zu feiern. Doch dieses Jahr können wir uns nicht in der Gloria-Passage versammeln, um zu singen, miteinander anzustoßen, oder um die Plots und Stile animierter Spiel- und Kurzfilme zu preisen, Wir können nicht persönlich erscheinen um uns gemeinsam austauschen und unser nächstes Rendezvous in Annecy oder Zagreb zu planen. Das ist niederschmetternd.

Aber, wie immer in schwierigen Zeiten, gibt es auch Hoffnungsschimmer. Für mich lässt die Aussicht auf Animationen die Hoffnung weiterleben. Glücklicherweise steht der Motor dieser Kunst für viele auch jetzt nicht still. Kreativität entsteht oft aus Finsternis und Ungewissheit. Es ist nicht ironisch gemeint: Aus der Isolation heraus, wo die Animation oft gut gedeiht, liefern viele Künstler*innen unglaubliche, individuelle Inhalte, vor allem im Bereich der 2D und 3D Animation. In dieser unfassbaren Zeit, da in Hollywood fast alle Lichter aus sind, gibt es in der Animationsszene viele Durchbrüche inspirierender Arbeiten, welche die Medien kritisieren und das Durcheinander unseres globalen politischen Systems.

Wie schnell das Stuttgarter Festival und andere Festivals Online-Plattformen und virtuelle Diskussionsgruppen entwickelt haben, hebt meine Stimmung. Ich bin begeistert von den Studierenden der CalArts, allen voran Karikaturistin Ann Telnae, die aus der Verbindung von Journalismus und politischer Beobachtung „Commentary Through Cartoons“ geschaffen haben – wichtig und dringend notwendig in diesen Zeiten der Pandemie.
Weil die Animation so eigenbrötlerisch daherkommt, hat sie aber auch die Fähigkeit, mit der Zeit zu gehen, akribisch zwar, Bild für Bild, dabei aber reflektierend, kommentierend die Kultur, Politik, und den Willen des menschlichen Bewusstseins.

Während jetzt viele Festivals die notwendige und wunderbare Arbeit tun, Filme zu teilen und sie online zu stellen u, so hat das doch seinen Preis. Für das diesjährige Festival in Stuttgart habe ich vier „Best of Animation“ Programme kuratiert, sie handverlesen in der unfassbaren Schatzkammer der Animation des ITFS seit1994. Aber es bedrückt mich, dass wir sie erst 2021 gemeinsam in einem realen Kino sehen können. Die Filmblöcke wurden über einen Monat vor der Zeit zusammengestellt, als wir das Wort „Coronavirus“ weltweit in unser Vokabular aufgenommen haben, doch in meiner Einführung habe ich seinerzeit geschrieben, dass jedes der Kurzfilmprogramme in seiner Gesamtheit folgendes hervorheben soll:

“… Themen der Unvollkommenheit und generellen Verletzlichkeit des Menschen… diese Werke würdigen das Alltagsleben, ob belastet oder glückselig, dazu eine Prise Bürokratie, Liebe, Familie, und Schmerz. Die universelle Mühsal reflektiert die Beziehung der Künstler*innen zu ihren politischen, gesellschaftlichen, und zutiefst persönlichen Erfahrungen.“

Eigentlich lohnt es sich in vielerlei Hinsicht, auf das Programm des Trickfilm-Festivals Stuttgart bis 2021 zu warten. Ich bin gespannt darauf, Gedanken und ungefilterte Analysen dieser unbeschreiblichen Zeit zu teilen. Ich freue mich darauf, von jenen zu hören, die einen besonderen, einzigartigen Blickwinkel haben, und in dieser unvergleichlichen Festivalumgebung zu sein, die das Nachdenken und tiefe Gespräche willkommen heißt.

Wir werden die aktuelle Krise unseres Planeten überstehen. Ich bin dankbar für die kreative Allianz der Animator*innen, die individuell arbeiten, oft in der Isolation, aber stets im vollen Bewusstsein ihrer Rolle als Künstler*innen, Kreative, und letztlich Archivar*innen einer schönen, wenn auch fragmentierten Zeit auf dieser Welt.

Autor

In seinen zwölf Jahren im Brand Management und Marketing von LAIKA hat Mark Shapiro an den internationalen Werbekampagnen für „Coraline“ (2009), „ParaNorman“ (2012), „The Boxtrolls“ (2014), „Kubo and the Two Strings“ (2016) and „Missing Link“ (2019) gearbeitet. Derzeit ist er als Marketing-Berater im Entertainment-Bereich in Oregon (USA) tätig.

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“A Costume for Nicolas” Interview mit Eduardo Rivero https://onlinefestival.itfs.de/eduardo-rivero/ Wed, 06 May 2020 07:35:47 +0000 https://onlinefestival.itfs.de/?p=6413

“A Costume for Nicolas”
Interview mit Eduardo Rivero

Eduardo, herzlichen Glückwunsch zur Auswahl deines Films “A Costume for Nicolas” für den ITFS „AniMovie“ Wettbewerb. Der Film hat mich tief berührt, und er ist ungewöhnlich, weil sein Protagonist Nicolas ein Kind mit Down-Syndrom ist. Wie kam es zu der Idee für den Film, und warum hast du dich entschieden, einen Animationsfilm zu machen?

Die Handlung des Films wurde vom Kinderbuch „Pablo and the Coffin“ inspiriert. Aber mit der Einbindung des Themas Down-Syndrom wollten wir der Geschichte noch einen besonderen Dreh geben. Wir wollten das Thema behandeln und mit dem Publikum teilen, aber wir wollten dabei nicht zu offensichtlich vorgehen. Also haben wir uns verschiedene Möglichkeiten ausgedacht wie wir unsere Geschichte zu erzählen, durch die Platzierung des Themas in den Dialogen. Animation erlaubt es uns, jede Geschichte zu erzählen und sie einem breiteren Publikum nahezubringen. Wir haben die Welt von Nicolas mit all ihrer Fantasie auf Basis der Botschaft geschaffen, die wir vermitteln wollten. Auf dieser Grundlage haben wir die anderen Charaktere und den Look des Films entwickelt, und unseren Schauspieler für die Rolle von Nicolas gesucht.

Der Film macht sich auf wunderbare Weise die gegensätzlichen Charaktere der Kinder und die besondere Vorstellungskraft von Nicolas zunutze. War es ein schwieriger Prozess für dich, in Nicolas‘ Welt einzutauchen und sie zum Leben zu erwecken?

Jeder Film ist eine Herausforderung, weil man mit Dingen konfrontiert wirst, die man noch nie zuvor getan hat. Um diesem Film zu machen, haben wir einige Schulen für Kinder mit Down-Syndrom besucht. Wir haben viel über sie gelernt – über Behandlungsmöglichkeiten, ihre Fähigkeiten und Einschränkungen. Wir haben herausgefunden, dass diese Kinder bei weitem mehr Fähigkeiten besitzen, als wir dachten. Und im festen Glauben daran haben wir uns entschieden, dass eines von ihnen, Fran Fernandez, den Nicolas spielen soll. Dass wir Fran kennenlernen und mit seiner psychologischen Betreuung und seiner Lehrkraft sprechen konnten, hat uns sehr dabei geholfen, das Drehbuch zu überarbeiten und es besser zu machen.
Ich glaube, dass der Film und unsere Botschaft dadurch an Authentizität gewonnen haben.

Als Produzentin interessiert mich natürlich, ob es schwierig war, einen solchen Film zu finanzieren. Du hast zwar nicht produziert, aber als Regisseur musst du diesen Prozess ja ebenfalls verfolgt haben. Kannst du uns etwas über die Finanzierung und die Partner hierfür berichten? Ist ein Sender beteiligt?

Mein Freund und Produzent, Miguel Ángel Uriegas, hat die gewaltige Aufgabe der Ressourcensuche und -beschaffung bewältigt, damit wir den Film machen konnten. In Mexiko gibt es FIDECINE, eine Regierungsinstitution zur Unterstützung der Filmindustrie. Sie erhalten jedes Jahr hunderte Projektanfragen, fördern wegen begrenzter Mittel aber nur zwei Drehbücher. Wir hatten das Glück, dass man unsere Geschichte interessant fand und so erhielten wir Unterstützung und Ressourcen. Das Budget wurde durch private Investitionen und die Zusammenarbeit mit weiteren Animationsstudios ergänzt: Peek Paax Animation und Mokiki Studios.

Um ehrlich zu sein: ich kenne mich mit der mexikanischen Animationsbranche nicht besonders gut aus. Aber ich kenne den Film “The Angel in the Clock”, bei dem du Animationsregie geführt hast. Kannst du uns noch etwas über die aktuelle Situation der Animation in deinem Land erzählen?

Als Branche sind wir am Wachsen, aber sehr langsam. Ein wichtiger Punkt ist, dass es viele mexikanische Studios gibt, die in verschiedenen Bereichen arbeiten: einige für ausländische Fernsehformate, andere in der Entwicklung von Kurzfilmen, manche machen Filme mit dem Ziel, kommerziellen Erfolg zu haben, wieder andere suchen künstlerische Befriedigung. All das erlaubt es uns zu wachsen und vielseitigere und bessere Künstler hervorzubringen. Allerdings haben wir stets das Problem der Abwanderung von Fachleuten. Nicht alle Studios haben Bestand, da die Budgets stark begrenzt sind. Unser Studio, Fotosintesis Media, hatte viel Glück mit seinem künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolg.

Was denkst du darüber, dass die Europa-Premiere deines Films aufgrund der aktuellen Corona-Pandemielage nur online stattfinden kann?

Momentan ist es für uns alle am Wichtigsten, auf unser Leben und unsere Gesundheit achtzugeben. Zur Premiere von “Nicolas”: wir sind daran interessiert, dass unser Film sein Publikum findet. Wir möchten, dass unsere Botschaft die Herzen der Menschen erreicht, egal wie. Ich glaube, dass die Situation, die wir derzeit erleben, unsere Denkweise verändern und uns zu verantwortungsbewussteren Menschen machen wird. Ich denke, für einen Film wie “A Costume for Nicolas” ist das eine großartige Gelegenheit, die Herzen der Menschen zu berühren. Schließlich erzählt unser Film von Liebe und Akzeptanz. Er hat eine universelle Botschaft.

Ich wünsche dir und deinem Film viel Erfolg, und würde mich sehr freuen, dich eines Tages persönlich kennenzulernen!

Dankeschön! Mein größter Wunsch ist es, dass die Menschen, die den Film sehen, Spaß haben, vom ihm berührt werden, und sich einen Moment Zeit nehmen, um darüber nachzudenken.

Wir werden bestimmt bald zusammenkommen! Viel Erfolg für das Festival!
In Freundschaft, Eduardo Rivero

Interview

Grit Wiskirchen

„A Costume for Nicolas“ ist verfügbar auf OnlineFestival+.

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Produktion in Zeiten von Corona: Alive & Kickin‘? https://onlinefestival.itfs.de/produktion-in-zeiten-von-corona-alive-kickin/ Sun, 03 May 2020 16:26:36 +0000 https://onlinefestival.itfs.de/?p=3893

Produktion in Zeiten von Corona: Alive & Kickin‘?

Die positive Nachricht vorneweg – die Animation erfreut sich guter Produktionsgesundheit, kaum Meldungen von Produktionsstopps, -verschiebungen und –absagen. Anders als ihre filmischen Geschwister Live Action, Dokumentation, Daily Soap und Serie, die momentan schwer angeschlagen darniederliegen. Etwas neidvoll wird auf die Kollegen geschaut, die weiter produzieren können. Zwar sitzen diese in Zeiten von sozialer Distanz nicht mehr gemeinsam in einem Büro oder Studio, können aber ausgelagert im Homeoffice durch Pipeline Zugriff an ihren Computern weiterarbeiten. Dank Zoom, Skype, Team etc. können Besprechungen und Meetings online stattfinden. Was hat sich also geändert, außer, dass man nicht einmal schnell, auf dem kleinen Dienstweg, mit den Kollegen Fragen und Probleme lösen kann? „Die Abläufe dauern länger“, berichten die Produzenten. Online-Meetings werden zudem als anstrengend empfunden, die Aufmerksamkeitsspanne vor dem Bildschirm scheint kleiner als bei Meetings face-à-face. Es ist ein Lernprozess, mit dieser neuen Form von Meetingkultur umzugehen. Digital ist erstaunlich viel möglich, aber wir erkennen auch, warum das Persönliche, Menschliche in unserer Kreativbranche so wichtig ist. Die Filmbranche ist ein People‘s Business.

Weniger gute Nachrichten folgen. Natürlich hat auch die Animationsproduktion mit Erschwernissen zu kämpfen. „Es wird gerade schwieriger, die Finanzierungen zu schließen“, hört man aus der Branche. Geld wird knapper, Entscheidungsprozesse entschleunigt. Wichtige Finanzierungspartner, wie z.B. die Kinoverleiher wissen nicht, wann ihr nächster Filmstart sein wird, Kampagnen liegen auf Eis. Kein guter Zeitpunkt, um in neue Projekte zu investieren. Ähnliche Zurückhaltung bei einigen Sendern, die aktuell Rekordquoten verzeichnen, aber mit wegbrechenden Werbeeinnahmen kämpfen. Die Film-Förderanstalten arbeiten weiter, aber die Gelder werden in und nach der Krise als Rettungsschirm der Filmbranche gegebenenfalls anders verteilt werden müssen. Dabei wurde die Animationsförderung bislang in Deutschland eh stiefmütterlich behandelt. Proportional fließen weniger Fördergelder in die Entwicklung und Produktion von animierten Filmen, obwohl gerade diese der Exportschlager aus Deutschland sind. Fraglich, ob nach der Krise hier mehr Geld zur Verfügung stehen wird. Auch war die Filmindustrie schon vor Covid-19 Teil eines globalen, digitalen Paradigmenwechsels und in einer beginnenden Konsolidierungsphase. Das Virus fungiert nun als zusätzlicher Brandbeschleuniger. Wie werden unsere Absatzmärkte nach überstandener Krise aussehen? Verändert sich die Rezeption von Film? Kehren die Zuschauer zurück ins Kino, bleibt der vermehrte, rekordverdächtige Filmkonsum auf den Streaming-Plattformen bestehen? Das auf den ersten Blick scheinbare „Wohlauf sein“ der Animationsbranche spricht sich herum, so dass die WGA – Writers Guild of America ihren Mitgliedern aktuell geraten hat, nun auf das Fach Animation umzusatteln, da die Kollegen von der Krise nicht so stark betroffen seien. Abgesehen von mangelnder Kollegialität und modernem Raubrittertum zeugt diese Aufforderung auch von einem hohen Maß an Unwissenheit. Die Hybris zu glauben, jeder Drehbuchautor könne per se gute Animations-Geschichten schreiben, ist erschreckend anmaßend. Es wird fieberhaft-panisch dorthin geschaut, wo offensichtlich kein Lockdown herrscht. Man fragt sich, wie lange die WGA von einem Produktionsstillstand ausgeht, wenn sie ihren Mitgliedern diese seltsamen Ratschläge gibt. „Nehmen Sie Animationsdrehbücher und nicht Chlorbleiche gegen Corona und in ein paar Jahren sind Sie geheilt“?

Der richtige Ansatz wäre, gemeinsam die Krise zu bewältigen und alte Antagonismen beizulegen. Vielleicht ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, neue Geschäftsfelder und engere Kooperationsmöglichkeiten zwischen Live Action und Animation auszuloten. Denn letztlich eint uns alle die Liebe zu guten Geschichten und zum Medium Film.

Bild: Meeting im Studio vor Corona
© Eagle Eye Studio

Autorin

Silke Wilfinger ist seit über 20 Jahren im Filmgeschäft tätig. 2016 gründete sie ihr eigenes Unternehmen SilkWayFilms mit Sitz in München. SilkWayFilms berät nationale und internationale Unternehmen in den Schwerpunkten Akquisition und Sales (Animation & Live Action), Entwicklung und Finanzierung.

Bilder wie diese auf Märkten werden in 2020 Seltenheitswert haben. © Animation Production Days, Reiner Pfisterer, 2019
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Open World – Games und Bildende Kunst https://onlinefestival.itfs.de/open-world/ Fri, 01 May 2020 17:09:21 +0000 https://onlinefestival.itfs.de/?p=4378

Open World – Games und Bildende Kunst

ÄSTHETIKEN, STRATEGIEN, DISKURSE

DIE FRAGE NACH DER KUNST

In manchen Kontexten – etwa von dem Kommunikationswissenschaftler Henry Jenkins – wird die Frage, ob es sich bei Computerspielen um Kunst handelt, im Jahr 2000 grundsätzlich positiv beantwortet. Es wird nicht aus kunstwissenschaftlicher oder kunsttheoretischer sondern aus populärkultureller Perspektive für das Computerspiel als eine Form von Kunst argumentiert, die sich an Gilbert Seldes’ Seven Lively Arts von 1925 ankoppeln ließe. Im Gegensatz dazu wird die Kunstfrage deutlich von Roger Ebert verneint. Der bekannte amerikanische Filmkritiker vertrat 2005 die Meinung, dass
Computerspiele gegenüber Filmen grundsätzlich minderwertig sind [inferior] und sie sich niemals zu einer eigenständigen Kunstform entwickeln könnten, was die Debatte um den Kunststatus ins Polemische wendete und neben vielen tausend Kommentaren im WWW auch eine Diskussion mit der prominenten Game Designerin Kellee Santiago provozierte. Die Frage nach dem Kunststatus des Mediums wird 2007 auch in dem Sammelband Videogames and Art adressiert. Brett Martin argumentiert darin, dass Computerspiele zu einer Kunstform avancieren können, wenn sie sich vom alten Medium Film emanzipieren.
Ernest Adams vertritt die ähnliche These, dass Computerspiele ästhetisch heranreifen und über den intendierten Zweck der Unterhaltung hinausgehen müssen, um die Nobilitierung der Kunst zu erfahren. Computerspiele scheinen demnach zu trivial zu sein, um als Kunst zu gelten. Die Frage, ob Computerspiele intrinsisch – per se – eine Kunstform darstellen oder nicht, ist (wissenschaftlich) gewiss nicht zielführend.

Weiterlesen

Dieser Text ist ein Auszug aus:

KUNSTFORUM International Band 262 „Borderlines. Kunst I Nichtkunst I Nichtkunstkunst“ (2019)

Autor

Prof. Dr. phil. Stephan Schwingeler ist Professor für Medienwissenschaft an der HAWK Hildesheim an der Fakultät Gestaltung. Zuvor war er Professor für Game Design an der Media Akademie – Hochschule Stuttgart. Er gehört international zu den Vorreitern der Game Studies. Sein erstes Buch mit dem Titel Die Raummaschine analysiert Raum und Perspektive in Computerspielen. Sein zweites Buch Kunstwerk Computerspiel untersucht die Strategien der Game Art. Er leitete das GameLab der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und hat das Next Level Festival als Beiratsmitglied und Berater begleitet. Als Kurator war Schwingeler u. a. verantwortlich für die Ausstellung ZKM_Gameplay im ZKM Zentrum für Kunst und Medien. Schwingeler hat zahlreiche internationale Ausstellungen verantwortet, u. a. mit der Julia Stoschek Collection, der Kuratorin Yuko Hasegawa oder dem Medienkünstler und Komponisten Ryoji Ikeda. Die Ausstellung Global Games untersuchte Games als politische Medien, während New Gameplay die Kunstform des Computerspiels im Nam June Paik Art Center in Südkorea zeigte. Gemeinsam mit dem Goethe-Institut kuratierte er die Ausstellung Games and
Politics, die in einer Welttournee in 40 Länder um den Globus reist.

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Radical Action and Pure Joy https://onlinefestival.itfs.de/radical-action/ Fri, 01 May 2020 16:36:24 +0000 https://onlinefestival.itfs.de/?p=4317

Radical Action and Pure Joy:
David OReilly’s Video Game Everything in the Context of Game Art, Art History, and a new Gamic Avant-garde

In the beginning I was an elephant. My first playthrough of David OReilly’s videogame Everything started in the pachyderm’s thick skin. Shortly after that I entered a beetle’s body, transformed into pollen, and back into a beetle. I controlled tufts of grass and turned into a palm tree. At one point I became a rubber duck, a snooker table, a set of conga drums, an electric guitar. I transformed into an island, a sun, a galaxy, becoming everything at once, incorporating everything that is included in it at the same time. On the one hand, David OReilly’s Everything plays with this permanent change of perspective, enabling the player to experience the game’s world as another entity. On the other hand, the game utilizes change of scale resulting in the fact that the object incarnated before becomes the measure of the following object. The outcome is a journey from a small into a large universe, from micro- to macrocosmos, and back again, comparable to Ray and Charles Eames’s famous experimental film Powers of 10 from 1977.

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Autor

Prof. Dr. phil. Stephan Schwingeler ist Professor für Medienwissenschaft an der HAWK Hildesheim an der Fakultät Gestaltung. Zuvor war er Professor für Game Design an der Media Akademie – Hochschule Stuttgart. Er gehört international zu den Vorreitern der Game Studies. Sein erstes Buch mit dem Titel Die Raummaschine analysiert Raum und Perspektive in Computerspielen. Sein zweites Buch Kunstwerk Computerspiel untersucht die Strategien der Game Art. Er leitete das GameLab der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und hat das Next Level Festival als Beiratsmitglied und Berater begleitet. Als Kurator war Schwingeler u. a. verantwortlich für die Ausstellung ZKM_Gameplay im ZKM Zentrum für Kunst und Medien. Schwingeler hat zahlreiche internationale Ausstellungen verantwortet, u. a. mit der Julia Stoschek Collection, der Kuratorin Yuko Hasegawa oder dem Medienkünstler und Komponisten Ryoji Ikeda. Die Ausstellung Global Games untersuchte Games als politische Medien, während New Gameplay die Kunstform des Computerspiels im Nam June Paik Art Center in Südkorea zeigte. Gemeinsam mit dem Goethe-Institut kuratierte er die Ausstellung Games and
Politics, die in einer Welttournee in 40 Länder um den Globus reist.

https://archive.aec.at/print/showmode/265/

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Im Gespräch: Die Geschäftsführer von OnlineFestival.ITFS.de https://onlinefestival.itfs.de/im-gespraech/ Wed, 15 Apr 2020 14:17:48 +0000 http://onlinefestival-itfs.flywheelsites.com/?p=772

Können Sie uns ein wenig darüber erzählen, wie Sie das Festival in diesem Jahr aufgrund der besonderen Umstände, mit denen wir alle weltweit konfrontiert sind, zu einem digitalen Ereignis umgestaltet haben?

Dieter Krauß: Als Kulturveranstalter sind wir und unsere Dienstleister aus der Veranstaltungsbranche, Künstler, Filmemacher*innen und Kreative von der Absage besonders betroffen. Aber trotz der Absage wollen wir unseren Fans und all jenen, die es werden wollen, die Möglichkeit geben, dieses besondere Kulturereignis zu besuchen, einzigartige Filme zu sehen, an Diskussionen oder Workshops teilzunehmen. Da dies derzeit physisch nicht möglich ist, wollen wir ein neues Format ins Leben rufen: das OnlineFestival.ITFS.de. Ein digitales Format, das all denen, die während der anhaltenden Corona-Krise zu Hause bleiben, ein digitales Festival-Gefühl vermitteln wird. Darüber hinaus möchten wir unseren Filmemachern eine Plattform bieten, um ihre kreativen und künstlerischen Leistungen schon jetzt sichtbar zu machen und ein Publikum zu erreichen.

Ulrich Wegenast: Es werden frei zugängliche Statements von Filmemachern und Interviews, das kuratierte Programm Animated Music Video sowie täglich neue herausragende animierte Kurzfilme gezeigt. Und selbst Veranstaltungen und Panels werden online stattfinden – als Livestream und Videokonferenz. In der GameZone werden ausgewählte Spiele, digitale Lernspiele, GameZone Talent und die Nominierten für den Animated Games Award Germany 2020 präsentiert. Filmfans haben die Möglichkeit, eine Auswahl der aktuellen Wettbewerbsfilme on demand im kostenpflichtigen Bereich OnlineFestival+ zu sehen. Im Bereich OnlineFestival Pro haben Profis Zugang zu den eingereichten Animationen auf unserem Animation Video Marktet und können mit den Produzent*innen in Kontakt treten. Die Sektion OnlineFestival Pro bietet auch Vorträge und Videokonferenzen an – insbesondere zu der Frage, wie die Animationsszene mit der Corona-Krise umgeht.

Was sind einige der Programm-Highlights für Liebhaber der internationalen Animation? Stehen in der digitalen Version des Festivals auch Animationsstars wie Benjamin Renner, Jeremy Clapin, Bill Plympton und Präsentationen von vier französischen Top-Studios im Mittelpunkt. Wir sehen mehr animierte Beiträge aus der ganzen Welt, die von einem allgemeinen Publikum in den Kinos gesehen werden. Können Sie über diesen Trend sprechen und darüber, wie er Ihre Programmentscheidungen in diesem Jahr beeinflusst hat?

Ulrich Wegenast: Bei unserem digitalen Festival konzentrieren wir uns auf unsere ITFS-Wettbewerbe und unsere großartigen und inspirierenden Filmemacher und Filmemacherinnen. Das OnlineFestival+ soll den vollen Zugang zum Filmprogramm ermöglichen: Eine Auswahl von Kurzfilmen aus dem Internationalen Kurzfilmwettbewerb, Young Animation, Tricks for Kids, Trickstar Nature und ausgewählte Langfilme aus dem AniMovie-Wettbewerb stehen hier zur Verfügung. Aber wir werden alle ausgewählten Filme in den verschiedenen Wettbewerben auch bei ITFS 2021 auf der großen Kinoleinwand zeigen! Außerdem stellen wir Filmemacher in kurzen Videos vor und wir geben ihnen eine Plattform, um über ihre Filme zu sprechen. Am 10. Mai werden wir die Gewinner online auszeichnen! Das komplette Wettbewerbsprogramm von 2020 wird auch bei ITFS 2021 (4.-9. Mai) in Top-Qualität auf den großen Leinwänden in den Kinos gezeigt.

Unsere Masterclasses mit Pedro Rivero, den Brüdern Blies und anderen großen Filmemachern werden in einem Livestream auf OnlineFestival.ITFS.de verfügbar sein, was eine großartige Gelegenheit zur Teilnahme sein wird.

Wir haben viele Fortschritte im Bereich AR/VR und Animation gesehen. Können Sie uns sagen, wie das Festival diese kreativen Projekte von Künstlern aus der ganzen Welt nutzt und was sind einige der neuesten Projekte, die in dieser Kategorie auf dem Festival präsentiert werden?

Ulrich Wegenast: In unserer ITFS GameZone-Rubrik werden wir die aktuellen Nominierten für den Animated Games Award Germany vorstellen. Diese Spiele zeichnen sich durch eine herausragende Ästhetik und Gestaltung aus, was uns als Schnittstelle zwischen Animation und Spielen besonders wichtig ist. Die GameZone mit ihren AR-, VR-Spielen und interaktiven Arbeiten lebt von der physischen Präsenz, vom Spielen und Interagieren. In dieser Zeit haben nur wenige Menschen eine VR-Brille für den privaten Gebrauch. Daher werden die aktuellen VR- und AR-Spiele, die wir für die GameZone geplant haben, nicht wie üblich zum Testen zur Verfügung stehen. Dennoch möchten wir die GameZone Talents und Local Heros vorstellen und die Interaktion mit den Fans per Livestream herstellen. Wie auch immer, im nächsten Jahr werden VR und AR eine herausragende Rolle in der GameZone spielen, wenn wir ein speziell kuratiertes Programm zum Thema „Frauen in Spiel und Animation“ anbieten.

Was sind Ihre persönlichen Empfehlungen für jemanden, der neu bei der Veranstaltung ist?

Dieter Krauß: Probieren Sie einfach aus, wie sich ein solches Online-Festival anfühlt und lassen Sie sich auf neue Erfahrungen in dieser digitalen Welt ein. Sicherlich ist dies die erste und großartige Gelegenheit für alle, die noch nie die (lange) Reise zu unserem ITFS machen wollten, um zu testen, wie spannend, vielfältig, künstlerisch abwechslungsreich etc. die internationale Welt der Animation ist. Dieses Spektrum ist sonst außerhalb der ITFS in Deutschland nicht zu sehen! Dieses Jahr kommt die ITFS einfach und direkt zu den Menschen!

Ulrich Wegenast: Für uns wird das neue digitale Format eine neue Erfahrung sein, genauso wie für unsere Gäste und Zuschauer. Wir hatten zwar schon viele Online-Aktivitäten wie die Online-Animation Library mit mehr als 15.000 Filmen – für das Streaming verfügbar, aber mit dem neuen Format werden wir eine neue Stufe der Digitalisierung erreichen. Wir werden viele Video-Statements und Live-Interviews haben, so dass wir glauben, dass das Publikum auf sehr intensive Weise mit den Machern in Kontakt kommen wird. Bei unserem Livestream mit Vorträgen, Moderationen und Animationsinhalten werden wir eine Art Festival-Feeling erzeugen. Wir sind auch davon überzeugt, dass wir über unser OnlineFestival neue Zielgruppen erreichen. Und wir repräsentieren nach wie vor die Vielfalt und Kraft der Animation. Wir sind noch dabei, das neue digitale Format zu entwickeln, und ich bin sicher, dass wir – gemeinsam mit den Produzenten – neue und interaktivere Inhalte schaffen.

Das Festival hat auch eine große Erfolgsgeschichte im Angebot interessanter Programme, die sich auf die Verbindung von Gaming und Animation konzentrieren. Können Sie uns sagen, was in diesem Programmteil der Veranstaltung geschieht?

Dieter Krauß: Die GameZone als digitale Spielwiese des ITFS ist verschiedenen Formaten gewidmet – von Indie-Spielen über VR-Installationen bis hin zu Game Jams – in diesem Jahr waren mehr als 50 Spiele und VR-Installationen geplant. Aber es gibt in dieser Zeit einen weiteren wichtigen Bereich, auf den wir uns konzentrieren: Spiele und Bildung. Zur Zeit müssen deutsche Kinder und Jugendliche und auch in anderen Ländern rund um den Globus zu Hause lernen, während die Schulen während der Corona-Krise geschlossen waren. Dies ist eine große Chance für die Spiele- und Animationsindustrie, die Digitalisierung in den Schulsystemen voranzutreiben und hat ein enormes Potenzial an digitalen Spielen im Bereich der schulischen und außerschulischen Bildung. Als digitale Plattform beschäftigen wir uns unter dem Programmpunkt ‚Edutain Me‘ seit über fünf Jahren mit den Schnittstellen zwischen digitalen Spielen und Pädagogik. In den Diskussionen, die bei der ITFS geführt werden, wird untersucht, welche Rolle Animations- und Computerspiele bei der Präsentation und Kommunikation von Inhalten im pädagogischen und außerschulischen Kontext spielen können. Auf unserem digitalen Festival werden wir zu diesem Thema Livestreams und Panels veranstalten, die sehr interessant und spannend sein werden.

Die Kuratoren Ihrer Veranstaltung gehen jedes Jahr Hunderte von Animationstiteln durch. Was sind einige der größten Trends, die Sie dieses Jahr festgestellt haben?

Ulrich Wegenast: Wir haben etwa 2.000 Einreichungen, die von unseren Vorauswahlkommissionen ausgewählt und beurteilt werden. Inhaltlich sehen wir viele Filme, die sich mit der aktuellen (politischen) Situation befassen. Viele Filme befassen sich mit Themen wie Frauenrechte. Im Allgemeinen zeigen die meisten Filme düstere Zukunftsvisionen. Wenn es um Ästhetik und Produktionen geht, sehen wir eine große Vielfalt an Stilen und Produktionsmethoden! In der Tat sehen wir auch einen starken Einfluss der großen Plattformen wie Netflix und Amazon – aber auf positive Weise, was die Themen und den künstlerischen Ansatz für Erwachsene betrifft. Zeichentrickserien wie „Undone“ wären von normalen Fernsehsendern nicht realisiert worden, weil sie zu radikal und zu innovativ sind. Hisko Huelsing, Regisseur von „Undone“, hat geplant, dieses Jahr nach Stuttgart zu kommen. Wir hatten seine Kurzfilme wie „Yunkard“ auf den letzten Festivals gezeigt und sehen eine enge Verbindung zwischen hochwertigen Kurzfilmen und interessanten Animationsserien. Aufgrund der Corona-Krise wird Hisko es nicht nach Stuttgart schaffen, aber wir arbeiten an einer Master Class online!

Um das Festival zu kuratieren, müssen Sie mit zahlreichen Animatoren und Innovatoren auf der ganzen Welt Kontakt aufgenommen haben. Wie gehen sie alle mit den Herausforderungen um, zu Hause zu bleiben und mit der Coronavirus-Pandemie umzugehen?

Ulrich Wegenast: Viele der Animatoren und Künstler setzen ihre Kreativität ein, um sich den Herausforderungen der aktuellen Situation zu stellen. Sie verarbeiten die Krise und ihre vielfältigen, teils bedrückenden, teils absurde Züge annehmenden Auswirkungen auf das alltägliche Leben auf humorvolle wie auch kritische Weise und/oder fokusieren ihre kreative Energie auf neue Projekte. Für die meisten Kreativen ist es enorm wichtig weiterhin (unter Nutzung der sozialen Medien) in Kontakt und Austausch zu stehen, sei es in persönlicher Hinsicht, sei es um ein Feedback für die eigene künstlerische Arbeit zu bekommen. Die Resonanz auf die Absage von Festivals ist voler Verständnis und wird als sehr verantwortlich gelobt. So wird auch das Angebot von Online Festivals positiv bewertet, wenn auch bei fast allen durchklingt, dass das persönliche Treffen, der direkte Austausch und menschliche Kontakt schmerzlich vermisst wird.

Autor

Ramin Zahed ist der Chefredakteur der in Los Angeles erscheinenden Zeitschrift Animation Magazine. Er berichtet seit über 20 Jahren über die Welt der Animation und der visuellen Effekte. Er ist Autor von mehr als 20 Büchern über Animation, darunter The Art of Klaus, The Art of Missing Link und The Art of Spider-Man.

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